330 Jahre Verehrung des Katakombenheiligen St. Deodatus

Wenn am kommenden Sonntag wieder das traditionelle Hl.-Leiber-Fest in der Basilika von Waldsassen gefeiert wird, so steht diesmal sogar  ein Jubiläum besonderer Art an, indem nämlich vor genau 330 Jahren mit den Gebeinen des hl. Deodatus die älteste Ganzkörper-Reliquie dem Zisterzienserkloster im Stiftland gewidmet wurde und hier bis heute eine ansehnliche Verehrung erfährt.

Über den Erwerb der Reliquie hat sich im Pfarrarchiv sogar noch die entsprechende Original-Urkunde auf Pergament vom 25. Mai 1688 erhalten,  ausgestellt von dem Regensburger Domherrn Dr. Ignatius Plebst und versehen mit einem stattlichen Wachssiegel.

Obgleich die 10 „Heiligen Leiber“ der Waldsassener Basilika aufgrund vieler Umbrüche und Veränderungen in den letzten Jahrzehnten nicht mehr den hohen Stellenwert einnehmen, den sie in der Barockzeit einmal hatten, so gelten sie bei den Gläubigen bzw. in der Pfarrei immer noch als begehrte Schutzheilige, um z.B. die Stadt samt den umliegenden Fluren vor Unwettern und sonstigen Unglücken zu bewahren.

Weithin entstanden ist der Kult mit den „Heiligen Leibern“ in der frühen Neuzeit, als man 1578 in Rom wieder die unterirdisch angelegten Katakomben entdeckte und dabei auf die sterblichen Überreste frühchristlicher Märtyrer stieß. In der Folgezeit wurde daraufhin eine Vielzahl solcher Gebeine erhoben, die – zunächst in Holzkästchen gebettet – von den Kirchen und Klöstern meist in Süddeutschland, in Österreich und in der Schweiz gerne erworben wurden. In der Barockzeit nahm die Verehrung und Präsentation solcher Reliquien noch zu, nachdem sich auch geschickte Hände aus Frauenklöstern oder unter Laienbrüdern fanden, um die „neuen Heiligen“ prächtig zu verzieren und sie in kunstvollen Schreinen den Gläubigen zur Verehrung zu präsentieren.

Offenbar erbat man sich auch im wiedererstandenen Kloster Waldsassen eine solche Reliquie, die am 15. März 1687 aus den Kallixtus-Katakomben in Rom erhoben wurde und zunächst in die Domstadt Regensburg kam, wo sie im Mai 1688 dem Zisterzienserkloster Waldsassen mit einer förmlichen Widmung zugestellt und wohl umgehend auch übermittelt wurde. 

Nachdem im Frühjahr 1689 mit dem Neubau der Stiftskirche begonnen wurde, erhielt der Reliquienschatz vorerst einen Platz in der Hauskapelle, wo dem damaligen Superior P. Nivard Christoph bei seinem nächtlichen Chorgebet im März 1690 mit der Reliquie sogar eine lichtvolle, übernatürliche Erscheinung zuteil geworden ist, über die er umgehend ein „Libell“ verfasste.

Nachdem die Stiftskirche 1704 eingeweiht und in der Folgezeit noch weiter ausgestattet wurde, erhielt auch der Hl. Deodatus zunächst seine Präsentation auf dem Bernhardsaltar. Dazu wurde 1721 die Landgerichtssekretärsgattin Magdalena Sinner in Amberg beauftragt, die filigrane Fassung der Knochenteile vorzunehmen.  Beim Jubiläum des Klosters 1733 wurde der Schrein mit den Gebeinen von St. Deodatus im Festzug mitgeführt und von Fackelträgern begleitet.

In der Folgezeit erwarb das Zisterzienserstift unter Abt Eugen Schmid bis 1744 noch weitere 5 solcher Ganzkörper-Reliquien, z.T. mit den Blutgefäßen, wobei die kunstvolle Fassung für die Seitenaltäre nun allesamt dem ordenseigenen Frater Adalbert Eder (1707 – 1777) übertragen wurde.

Als man 1756 unter Abt Alexander Vogel das Heilige-Leiber-Fest etablierte, verfügte die Stiftskirche bereits über acht solcher Reliquien, außerdem waren noch 2 Heilige Leiber in der Gnadenkapelle in Tirschenreuth eingefügt und präsentiert worden, die auch Frater Eder aufbereitet hatte. Wenig später stieg die Zahl in Waldsassen sogar auf zehn und erfolgte nun eine teilweise Umgruppierung in der Stiftskirche. Bei einem Vergleich zwischen der schlichten Arbeit von Frau Sinner mit dem Leib des Hl. Deodatus gegenüber den geradezu klassischen Arbeiten von Frater Eder ist ein deutlicher Unterschied dahingehend festzustellen, dass Frater Eder zweifellos der fähigere und versiertere Fachmann gewesen sein muss, obgleich er eigentlich Autodidakt gewesen sei, wie es heißt.

Dank der Kontinuität im kirchlichen Bereich des Stiftlandes haben sich die Heiligen Leiber der Basilika bis heute in der angestammte Fassung erhalten, wenngleich die barocken Samt- und Seidenstoffe in der Urfassung durch das Tageslicht und die UV-Strahlung erkennbar ausgebleicht worden sein dürften. Doch dies sollte dem verehrungswürdigen Status bzw. der überkommenen Reliquienverehrung keinen Abbruch tun.

Bericht: Robert Treml

Bilder: 1 x Robert Ehrmann; 2 x Georg Schrott